Fett ist nicht gleich Fett – eine differenzierte Betrachtung gesunder und problematischer Fettquellen

Fett ist nicht gleich Fett – eine differenzierte Betrachtung gesunder und problematischer Fettquellen

Fette nehmen in der ernährungswissenschaftlichen Diskussion seit Jahrzehnten eine ambivalente Rolle ein. Während sie einerseits als Energieträger, Baustoff für Zellmembranen und Träger fettlöslicher Vitamine eine unverzichtbare physiologische Funktion erfüllen, stehen sie andererseits im Verdacht, entzündliche Prozesse zu fördern oder Stoffwechselstörungen zu begünstigen – je nach Quelle und Verarbeitung. 

Dieser Beitrag ordnet verschiedene Fettquellen aus biochemischer und ernährungsmedizinischer Perspektive ein und beleuchtet sowohl ihre potenziellen Vor- als auch Risiken im Kontext einer ausgewogenen Ernährung.

Funktionen von Fetten im menschlichen Organismus 

Fette gehören neben Kohlenhydraten und Proteinen zu den Makronährstoffen und sind unter anderem beteiligt an: 

  • er Bereitstellung von Energie (9 kcal pro Gramm),
  • der Absorption fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K),
  • der Synthese von Steroidhormonen,
  • der Bildung und Stabilität biologischer Membranen,
  • immunologischen und neurologischen Prozessen.

Allerdings unterscheiden sich die physiologischen Effekte je nach Fettsäurenstruktur, Herkunft und Verarbeitungsgrad erheblich.

Traditionelle Fettquellen und ihre ernährungsphysiologische Bedeutung

Butter 

Butter ist eine der ältesten Fettquellen in der menschlichen Ernährung. Sie liefert nicht nur Energie, sondern auch eine Vielzahl bioaktiver Komponenten. Neben gesättigten Fettsäuren enthält sie relevante Mengen an Vitamin A (wichtig für Sehkraft und Immunfunktion), Vitamin D (Knochenstoffwechsel) und Vitamin K2 (Kalziumregulation).

Besonders erwähnenswert ist der Gehalt an kurzkettiger Buttersäure (Butyrat), die auch im Dickdarm durch Fermentation entsteht und eine zentrale Rolle für die Darmschleimhaut und das Immunsystem spielt. Studien deuten darauf hin, dass Butyrat entzündungsmodulierende und metabolisch günstige Eigenschaften haben kann.

Butter enthält auch Spuren von konjugierter Linolsäure (CLA), einer Fettsäure, die in Tiermodellen mit antiadipösen und antikanzerogenen Wirkungen assoziiert wurde. In humanen Studien ist die Datenlage noch nicht abschliessend, aber erste Ergebnisse sind vielversprechend.

In moderaten Mengen konsumiert – insbesondere aus Weidemilch stammend – kann Butter ein wertvoller Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung sein.

Ghee

Ghee ist eine geklärte Form von Butter, bei der Eiweissbestandteile und Wasser entfernt wurden. Dadurch ist es länger haltbar und besser erhitzbar. Ghee enthält – ähnlich wie Butter – Butyrat sowie Vitamin A und K2. In der ayurvedischen Lehre gilt es traditionell als verdauungsfördernd und gewebestärkend. Auch in westlichen Studien wurden entzündungsmodulierende Effekte diskutiert.

Kokosöl 

Kokosöl ist eine weitere traditionelle Fettquelle, die vor allem durch mittelkettige Triglyceride (MCTs) gekennzeichnet ist. Diese werden bevorzugt hepatisch verstoffwechselt, was zu einer schnellen Energiebereitstellung führen kann. In Studien zeigen MCTs unter bestimmten Bedingungen günstige Effekte auf Sättigungsregulation und Körpergewicht. Zudem werden antimikrobielle Eigenschaften diskutiert.

Olivenöl

Natives Olivenöl extra ist eine zentrale Komponente der mediterranen Ernährung. Neben seinem hohen Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren (v. a. Ölsäure) enthält es sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole, die antioxidativ und entzündungsmodulierend wirken können.

In epidemiologischen Studien wurde ein inverser Zusammenhang zwischen dem Konsum von Olivenöl und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und bestimmte Krebserkrankungen festgestellt. 

Rinderfett (Talg)

Rinderfett, traditionell als Talg bekannt, war über Jahrhunderte hinweg ein zentrales Brat- und Kochfett. Es enthält vorwiegend gesättigte und einfach ungesättigte Fettsäuren und zeichnet sich durch hohe oxidative Stabilität bei hohen Temperaturen aus – ein Vorteil gegenüber mehrfach ungesättigten Ölen, die schneller oxidieren.

Im Gegensatz zu industriellen Pflanzenölen ist Rinderfett minimal verarbeitet und enthält keine Zusatzstoffe. Bei Tieren aus Weidehaltung finden sich im Fettgewebe zudem physiologisch relevante Mengen an Vitamin D, Vitamin K2 und natürlichen Transfetten wie vaccensäure, die sich metabolisch anders verhalten als synthetische Transfette.

Aus ernährungsphysiologischer Sicht bietet Rinderfett eine hitzestabile, nährstoffreiche Alternative zu raffinierten Pflanzenölen – besonders in der warmen Küche. Auch aus Nachhaltigkeitsperspektive wird die Nutzung von Talg im Sinne einer Nose-to-Tail-Verwertung zunehmend positiv bewertet.

Stark verarbeitete Samenöle: Herstellung, Zusammensetzung und gesundheitliche Bewertung

Zu den häufig verwendeten industriellen Samenölen zählen Sojaöl, Maiskeimöl, Rapsöl, Sonnenblumenöl und insbesondere Baumwollsamenöl. Diese Öle werden meist durch chemische Extraktion und Raffination gewonnen. Der Produktionsprozess beinhaltet häufig Schritte wie Entschleimung, Entsäuerung, Desodorierung und Erhitzung, was zur Bildung oxidierter Lipidverbindungen führen kann. 

Problematisch sind insbesondere:

  • ein hoher Gehalt an mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren (v. a. Linolsäure), der bei gleichzeitig geringer Omega-3-Zufuhr ein proinflammatorisches Milieu fördern kann,
  • potenziell schädliche Verbindungen wie Transfettsäuren, die während der Hitzebehandlung entstehen können,
  • toxische Rückstände wie Gossypol im Fall von unzureichend raffiniertem Baumwollsamenöl.

Epidemiologische und tierexperimentelle Studien weisen auf mögliche Zusammenhänge zwischen dem Konsum stark verarbeiteter Öle und metabolischen Dysfunktionen wie Insulinresistenz, chronisch-niedriggradiger Entzündung und Adipositas hin.

Empfehlungen aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive

  • Für das Erhitzen beim Kochen eignen sich Fette mit hoher Oxidationsstabilität, etwa Ghee, Butter, Kokosöl oder Rinderfett.
  • Olivenöl sollte idealerweise kalt verwendet werden, um hitzelabile Polyphenole zu schützen.
  • Eine Reduktion des Verhältnisses von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren kann durch den vermehrten Verzehr von fettreichem Seefisch erreicht werden.
  • Stark verarbeitete Öle in Fertigprodukten sollten in der täglichen Ernährung eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Fazit

Die pauschale Einteilung von Fetten in „gut“ oder „schlecht“ wird dem aktuellen Stand der Forschung nicht gerecht. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich, die Herstellungsprozesse, chemische Stabilität, Verdaulichkeit und den Kontext des Gesamtverzehrs berücksichtigt.

Traditionelle, minimal verarbeitete Fettquellen wie Butter, Ghee, Kokosöl, Rinderfett und Olivenöl sind aus wissenschaftlicher Sicht – im Rahmen einer abwechslungsreichen Ernährung – potenziell gesundheitsfördernd. Die kritische Auseinandersetzung mit industriell verarbeiteten Samenölen bleibt hingegen weiterhin relevant.

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