Objektiv? Kritisch? Oder nur Marketing: Wie Avea mit Sonne & Zucker Angst verkauft

Objektiv? Kritisch? Oder nur Marketing: Wie Avea mit Sonne & Zucker Angst verkauft

Viele Nahrungsergänzungs-Marken versprechen heute, „objektiv“ und „kritisch“ über Gesundheitsthemen aufzuklären. Auf den ersten Blick klingt das vertrauenswürdig – gerade in einem Markt voller Übertreibungen und Mythen.

Doch schaut man genauer hin, ist das, was nach Wissenschaft aussieht, oft vor allem eines: Verkaufstaktik. Ein aktuelles Beispiel: eine Werbemail von Avea, die erklärt, wie Sonne und Zucker unsere Haut angeblich rasant altern lassen – um dann ein Kollagen-Supplement als „Lösung“ anzubieten.

Zeit, den Marketingnebel zu lichten.

1. Sonne: Dämonisiert statt differenziert

In der Mail wird die Sonne fast ausschliesslich als Gefahr dargestellt. Zitat: „Die meisten Menschen wissen nicht, dass Zucker die Haut genauso stark altern lässt wie die Sonne.“

Damit wird ein Bild aufgebaut: Sonne = Hautalterung, Zucker = Hautalterung, Lösung = Supplement.

Die Realität sieht komplexer aus:

  • Sonnenlicht ist essenziell. Unser Körper braucht UV-B-Strahlen, um Vitamin D zu bilden. Dieses Vitamin wirkt auf Knochen, Immunsystem, Hormone und sogar auf die Psyche.
  • Circadianer Rhythmus: Tageslicht steuert unseren inneren Taktgeber. Ohne Sonnenlicht kommt Schlaf, Stoffwechsel und Stimmung durcheinander.
  • Massvolle Exposition ist gesund. Problematisch wird Sonne erst, wenn wir ungeschützt stundenlang in der prallen Mittagshitze braten. Hautalterung und Krebsrisiko entstehen vor allem durch Sonnenbrände, nicht durch massvollen, täglichen Kontakt mit Licht.

Wer die Sonne auf „Feind Nummer eins“ reduziert, lässt die Hälfte der Wahrheit weg.

2. Sonnencreme: Der blinde Fleck

Avea spricht zwar über Sonnenschäden – aber nicht darüber, wie die gängigen „Lösungen“ wirken. Ein kritischer Blick auf Sonnenschutzprodukte fehlt völlig.

Das ist bemerkenswert, denn:

  • Vitamin-D-Blockade: Hohe Lichtschutzfaktoren blockieren genau die Strahlung, die wir für die Vitamin-D-Produktion brauchen.
  • Chemische Filter: Inhaltsstoffe wie Oxybenzon oder Octocrylen stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein und unter UV-Einfluss freie Radikale zu erzeugen.
  • Verhaltensfalle: Wer dick eingecremt ist, bleibt länger in der Sonne – und sammelt dadurch insgesamt mehr Strahlung ein.

Der beste Schutz ist nach wie vor der einfachste: Schatten, Kleidung, Aufenthaltsdauer. Das klingt weniger sexy als „High-Tech-Filter“, ist aber frei von Nebenwirkungen.

Wenn eine Marke „kritisch“ sein möchte, müsste sie auch diese Seite beleuchten. Tut sie aber nicht – denn das passt nicht ins Verkaufsnarrativ.

3. Zucker & Glykation: Teilwahrheit mit Verkaufsabsicht

Hier liegt ein spannender Punkt: Glykation ist real. Wenn überschüssiger Zucker im Blut an Proteine wie Kollagen bindet, entstehen sogenannte AGEs (Advanced Glycation End Products). Diese machen Gewebe steifer, fördern Entzündungen und beschleunigen Hautalterung.

Das stimmt. Aber:

  • Glykation ist kein Schicksal. Sie hängt vor allem von Ernährungsgewohnheiten, Stoffwechsel, Bewegung und Stress ab.
  • Die Lösung liegt im Lebensstil – weniger Zucker, mehr Antioxidantien, guter Schlaf, moderates Sonnenlicht.
  • Ein einzelnes Supplement ist höchstens ein kleiner Baustein, nicht die „Rettung“.

Avea nimmt also einen echten biologischen Prozess, erklärt ihn halbrichtig – und biegt die Argumentation dann so, dass am Ende ihr Kollagenprodukt als notwendige Waffe erscheint.

4. Objektiv und kritisch – oder nur Marketing?

Echte Objektivität bedeutet:

  • Beide Seiten zeigen: Risiken und Vorteile der Sonne.
  • Kontext geben: Hautalterung entsteht durch viele Faktoren – Ernährung, Schlaf, Stress, Rauchen, Umweltgifte.
  • Lösungen abwägen: natürliche Strategien (Ernährung, Bewegung, Lebensstil) vor verkapselten Pulvern.

Aveas Mail macht aber das Gegenteil:

  • Risiken der Sonne überhöhen, Vorteile verschweigen.
  • Glykation dramatisieren, aber nur den „Produkt-Hebel“ erwähnen.
  • Den Anschein von Wissenschaftlichkeit erzeugen, ohne echte Quellen oder Nuancen.

Das ist nicht „kritisch“, sondern Fear Marketing: Angst schüren → Lösung verkaufen.

5. Was wirklich kritisch wäre

Wenn wir ehrlich kritisch über Hautalterung sprechen, sieht das anders aus:

  • Sonne: In Massen gesund, im Übermass riskant. Schutz durch Verhalten statt nur durch Cremes.
  • Zucker: Ja, Glykation ist ein Problem – aber lösbar durch Ernährung, nicht allein durch Kapseln.
  • Kollagen: Nahrungsergänzung kann unterstützend wirken, aber die Basis bleibt ein ganzheitlicher Lebensstil.

Echte Aufklärung heisst: den Menschen Werkzeuge für Selbstverantwortung geben – nicht Angst verkaufen und dann eine Box Pulver als einzige Rettung präsentieren.

Fazit

Avea wirbt mit „objektiv und kritisch“. Doch ihre Botschaften sind weder neutral noch ausgewogen, sondern clever verpacktes Marketing.

Sonne ist nicht der Feind. Zucker ist nicht allein schuld. Und Kollagenpräparate sind kein Allheilmittel.

Wer wirklich kritisch sein will, braucht Mut zur ganzen Wahrheit: Die Gesundheit hängt nicht an einer Pille, sondern an Balance, Bewusstsein und Lebensstil.

👉 Damit passt der Artikel perfekt in den Food-Sherlock-Blog: Mythen aufdecken, Marketing durchschauen, Fakten gegen Angst-Storytelling setzen.

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